Wenn Land unter ist auf der Arbeit, dann ist es schwierig, einen klaren Kopf zu bewahren für eine systematische Verbesserung der Verhältnisse. Jedes Mittel scheint recht zu sein, Hauptsache es verspricht irgendwie eine Entlastung. Leider ist das eine Einladung für Verschwendung.
In der zweiten Staffel von “Tanz um den Engpass” möchte ich deshalb einen Blick darauf werfen, welche Maßnahmen sich anbieten, wenn die Dinge nicht laufen, wie sie laufen sollen — und welchen Effekt diese Maßnahmen haben.
Wieder dient mir ein kleines Beispielunternehmen als Demonstrationsfeld:
Meet the Business
Sven hat nach dem Studium als Elektroingenieur eine kleine Firma gegründet. Mit ihr will er ein Gerät zur Optimierung der Leistung von Heim-Photovoltaik-Anlagen produzieren und vermarkten, über das er seine Master-Arbeit geschrieben hat.
Das alles ist noch im Anfangsstadium und eigentlich ganz einfach: Die Produktion je Gerät dauert 5 Stunden. Dafür hat Sven drei Mitarbeiter eingestellt. So können mehrere Geräte gleichzeitig in der Fertigung sein, hat er überlegt. Die Materialkosten pro Gerät betragen 200€ (VC = Variable Costs). Dazu kommen monatliche Kosten für die Mitarbeiter (OE = Operating Expenses) in Höhe von 7500€. Außerdem hält Sven ein Materiallager im Wert von 10000€ vor (I = Inventory oder Investment).
Sven hat ausgerechnet, dass er 50 Geräte à 350€ pro Monat verkaufen muss, um diese Kosten zu decken. Mit dem Lager will er sicherstellen, dass diese Menge flüssig gefertigt werden kann.1
Nach einer Anlaufphase ist Sven allerdings schon über diese Verkaufszahlen hinausgewachsen. Derzeit liegt der Auftragseingang pro Monat schon bei 80! Darüber ist er sehr froh. Es bleibt jeden Monat etwas übrig. Aber natürlich dürfen, nein, sollen und müssen es auch gern noch mehr Aufträge werden.
Die aktuellen Zahlen im Überblick:
Die Zahl, die Sven am meisten interessiert, ist natürlich der Net Profit. Der errechnet sich aus Throughput minus Operating Expenses. Und Throughput sind die Einnahmen minus den Total Variable Costs. Soweit die Kennzahlen gem. Throughput Accounting.
Sven ist schon ganz zufrieden — wenn er mal annimmt, dass die Auftragslage sich in den nächsten Monaten noch weiter verbessert. Der Laden läuft. Erstmal jedenfalls. Aber läuft er rund?
Unzufriedene Kunden
Nein, der Laden läuft nicht rund. Die Auftragslage hat sich zwar von Monat zu Monat verbessert — schon im dritten Monat waren es über 50, jetzt, nach 6 Monaten sind es 80 —, andererseits haben sich seine Lieferzeiten gerade seit dem letzten Monat mit 75 Aufträge und dem jetzigen mit 80 Aufträgen verschlechtert. Zu Anfang konnte Sven von einem Tag auf den anderen liefern, jetzt dauert es schon manchmal 2 Tage und scheint von Woche zu Woche schlimmer zu werden. Gar nicht auszudenken, wie es wäre, wenn noch mehr Aufträge reinkämen. Sven muss erkennen, dass sein kleines Unternehmen schon jetzt eigentlich überlastet ist.
Aus einem Lager mit fertigen Geräte könnte er natürlich sofort liefern. Doch das aufzubauen, hat er im Augenblick keine Kapazität; über die aktuellen Aufträge hinaus noch mehr zu produzieren, würde die Lieferzeiten jetzt noch weiter verschlechtern.
Wachsende Lieferzeiten und ein Net Profit, der noch zu wünschen übrig lässt, bedrücken Sven. Er weiß gar nicht, was von beidem schlimmer ist. Was soll er tun?
Mehr Net Profit durch Senkung der Materialkosten?
Wie sich die Auftragslage entwickeln wird, weiß Sven nicht. Das liegt außerhalb seiner Kontrolle. Diesen Monat 80 Aufträge sind toll — aber ob es nächsten Monat wirklich 85 oder 90 sein werden, wie er hofft, das steht in den Sternen. Es könnten auch wieder nur 70 sein. Der Markt ist unberechenbar. Falls sich die Auftragslage entspannen sollte, lösen sich die Lieferzeitprobleme wahrscheinlich sogar von allein.
Sven entscheidet sich daher zunächst für eine Konzentration auf den Net Profit. Der steigt nicht nur bei mehr Einnahmen durch mehr Verkäufe, sondern auch bei Senkung der Kosten. Mehr Net Profit verschafft ihm einen Puffer. Als erstes verhandelt er deshalb mit seinen Zulieferern.
Die sind bereit, ihm 10% Rabatt zu gewähren als Unterstützung für sein vielversprechendes Unternehmen — allerdings müsste er dafür größere Mengen abnehmen; das im Lager gebundene Kapital stiege schon mal von 10000€ auf 15000€. Mehr Aufträge sollten deshalb dieser Kostensenkung am besten auch folgen.
Unterm Strich sieht das Ergebnis für Sven zunächst ordentlich aus. Wenn der nächste Monat wie der bisherige 80 Aufträge bescherte, würde sich der Net Profit um fast 36% erhöhen. Wenn dann noch die Auftragszahl steigen würde… gar nicht auszudenken, wie viel dann endlich mal übrig bliebe!
So weit seine erste Überlegung zur Verbesserung der Situation. Sven sieht einen Lichtstreifen am Horizont. Doch er will sich noch nicht entscheiden, wie er weiter vorgeht. Er sieht noch andere Schrauben, an denen er stellen könnte.
Welchen Parameter wird Sven als nächstes überlegen zu verändern? Kann er damit sowohl den Net Profit erhöhen wie auch die Lieferzeiten verkürzen? Seien Sie gespannt auf die nächsten Episoden der zweiten Staffel von “Tanz um den Engpass”. Wenn Sie die nicht verpassen wollen, dann…
Das sind natürlich sehr vereinfachte Annahmen. Im richtigen Leben wären die OE sichere höher und vielfältiger. Aber ich denke, solange die wesentlichen Kostenkategorien durch das Beispiel abgedeckt sind, ist es aussagekräftig. Es kommt nicht so sehr auf die Höhe der Beträge, sondern ihre Beziehungen an.