Vom scheuen Reh Teamwork
Wer nicht gerade am Fließband arbeitet, arbeitet in einem Team. So jedenfalls das in Stellenanzeigen vermittelte Bild. Teamwork ist allgegenwärtig. Teams gibt es nicht nur bei Projekten. Auch Brötchen werden heute im Team verkauft:
Dem Team entkommt man nicht mehr. Teamfähigkeit ist eine gern angeführte Bedingung in Stellenanzeigen:
Aber was ist denn eigentlich ein Team? Wie arbeitet ein Team? Was bedeutet Teamfähigkeit? “Wir sind ein Team!” wird schnell behauptet und auch subjektiv so empfunden. Doch ist das wirklich der Fall? Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.
Beispiele für Teamwork
Im Folgenden will ich versuchen etwas auszuleuchten, was Team (für mich) bedeutet. Ausgangspunkt sollen dafür Beispiele sein, die wahrscheinlich jeder als gutes Teamwork bezeichnen würde.
Bausteine des Teamworks
Gutes Teamwork bei anderen zu erkennen — oder sein Fehlen zu kritisieren — ist einfach. Es selbst zu erreichen hingegen… das ist schwer, sehr schwer. Überall wird zwar das Team beschworen, doch zufrieden sind nur wenige mit der Leistung der Teams. Irgendwo hakt es immer. Das frühe Aus für die Deutsche Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 2022 ist nur ein aktuelles prominentes Beispiel. Offensichtlich stimmte das Teamwork dort nicht.
Also, was gehört zum Teamwork? Was lässt sich aus den obigen Beispielen herauslesen?
Offensichtlich ist, dass Teamwork sich um AUFGABEN dreht. Und zur Bewältigung jeder dieser Aufgaben braucht es KOMPETENZ.1
Woher kommen die Aufgaben? Sie ergeben sich aus einem zu erreichenden ZIELZUSTAND. Ein Team hat stets die Aufgabe, die Welt in gewisser Weise zu verändern.
Welche Aufgaben von wem wann am besten erledigt werden, d.h. wie die PRODUKTION konkret auf die Situation reagiert, wird in der KOORDINATION bestimmt.
Und wer bestimmt den Zielzustand? Das ist Aufgabe der FÜHRUNG. Sie definiert, was in einem von der Umwelt vorgegebenem KORSETT aus Regeln und Gesetzen angestrebt wird. Darin spannt sie einen teameigenen RAHMEN aus Werten und Strategien auf, in dem Produktion und Koordination agieren dürfen.
Dass dann tatsächlich Teammitglieder aktiv werden, erreicht Führung durch Motivation.
Bausteine am Beispiel
So weit eine noch recht abstrakte Liste von Teamwork-Bausteinen. Ist sie aber wirklich praktikabel? Lässt sich mit ihr das besser verstehen, was in den Videos zu sehen ist?
Rugby
Der ZIELZUSTAND beim Rugby ist der Gewinn einer Mannschaft. Alle Mitglieder sollen in einer Weise aktiv sein, dass sie ihrem Team so viele Punkte verschaffen, wie möglich, am besten mehr als die der gegnerischen Mannschaft.
Das offensichtliche KORSETT beim Rugby stellen die Spielregeln dar. Darüber hinaus gelten aber natürlich auch die Gesetze des Landes und die Naturgesetze. Der Zielzustand befindet sich “in der Box”, die durch sie definiert ist.
Wie der Zielzustand darin angestrebt wird, definiert die FÜHRUNG durch Werte wie “Wir spielen fair und täuschen keine Fowls vor” oder Strategien wie “Wir spielen in der ersten Hälfe defensiv, danach gehen wir auf Angriff”.
Führung ist eine Funktion. Sie wird vielleicht von einer Person ausgefüllt, z.B. dem Trainer, vielleicht gibt es aber auch eine Führungsriege — oder es führen sich alle Mannschaftsmitglieder gemeinschaftlich selbst. Ein alleiniger An-Führer ist nicht zwingend nötig. Es geht wie bei den anderen Funktionen um den Effekt.2
Offensichtlich ist auch, dass alle Teammitglieder für das Rugby-Spiel gewisse KOMPETENZen haben müssen. Sie müssen z.B. schnell laufen können, Kondition für die ganze Spieldauer besitzen, präzise Werfen und verlässlich fangen.
Weil sie miteinander spielen, gehört zu ihren Kompetenzen aber auch die Beobachtung nicht nur der Gegner, sondern auch der Teamkollegen. Nur gemeinsam, in Kollaboration können sie den Zielzustand erreichen.
Die AUFGABEN während des Spiels sind z.B. den Ball eine gewisse Strecke zu transportieren oder ihn abzugeben. Letztlich geht es ja nicht um die Bewegung der Spieler, sondern des Balls. Wie der Ball bewegt wird — durch Tragen oder Wurf — ist einerlei; Hauptsache er kommt zügig über die Ziellinie.
Die KOORDINATION der Aufgaben findet unter den Teammitgliedern während des Spiels selbstständig statt. Sie beobachten die anderen oder rufen sich etwas zu. Vielleicht versucht aber auch der Trainer vom Spielfeldrand Hinweise zu geben, was getan werden soll.
Pit Stop
Das Pit-Stop-Team gewinnt nicht das Rennen. Aber es trägt seinen Teil dazu bei, indem es den Rennwagen währenddessen “in Schuss hält”. Der relevante ZIELZUSTAND ist also ein Rennwagen, der nach dem Stopp wieder in Topform ist.
Das KORSETT wird durch die Regeln des Rennsports und natürlich die Landesgesetze und die Naturgesetze dargestellt.
Innerhalb dessen definiert die FÜHRUNG Werte und Strategie wie z.B. “Wir schummeln nicht” oder “Scale out over scale up, d.h. das Team umfasst so viele Mitglieder wie nötig, um das, was parallel erledigt werden kann, auch parallel zu erledigen”.
Die KOMPETENZEN ergeben sich aus den AUFGABEN, die bei einem Pit Stop abzuarbeiten sind, z.B. Aufbocken, Reifenwechsel oder Betankung. Anders als beim Rugby arbeiten die Teammitglieder jedoch weniger miteinander, sondern nebeneinander am selben “Werkstück”: Betankung und Reifenwechsel finden gleichzeitig statt, ohne dass die jeweils Zuständigen dabei kommunizieren.
Die KOORDINATION ist hier also weniger eine Sache ständiger Beobachtung während “des Spiels”, sondern wird vorher durchgeführt: hochspezialisierte Arbeitsteilung im Rahmen eines eingeübten Plans ist das Geheimnis.
Teamwork braucht Führung
Der Pit Stop ist Teamwork in höchster Effizienz. Das Rugby-Spiel ist Teamwork in hoher Flexibilität.
Beim Pit Stop ist minutiös ausgearbeitet und eingeübt, was wann von wem wie womit zu tun ist. Beim Rugby-Spiel sind die Teammitglieder kompetent, wissen hingegen nicht, was wann von wem wie genau zu tun ist.
Auch wenn sehr unterschiedliche Zielzustände auf ganz verschiedene Weise erreicht werden sollen, handelt es sich in beiden Fällen jedoch um Teamwork. Teamwork definiert sich nicht durch das Was, sondern durch die Art der Zusammenarbeit von Menschen.
Auch am Fließband arbeiten Menschen zusammen:
Aber ist das Teamwork? Heute würde es in einer Stellenausschreibung vielleicht so bezeichnet: “Werde Teil unseres Gurkenteams!” Ernsthaft kann man diese Arbeit jedoch nicht als Teamwork bezeichnen. Warum?
Auch bei der Fließbandarbeit sind AUFGABEN im Hinblick auf einen ZIELZUSTAND zu bewältigen. KOORDINATION findet statt: dafür ist vor allem das Fließband zuständig. KOMPETENZ ist ebenfalls nötig, um am Fließband keinen Fehler zu machen. Ein KORSETT existiert auch.
Was beim Fließband jedoch fehlt und das Teamwork ausmacht, das ist FÜHRUNG.
Führung vs Koordination
Führung wird oft mit Koordination in einen Topf geworfen. Das halte ich für ein großes Missverständnis, das viele Organisationen daran hindert, sich zu verändern und besser zu werden. Führung und Koordination sind grundverschieden.
Koordination ist mit Produktion Teil der OPERATION; die stellt den Zielzustand durch kompetente Aufgabenerledigung her. Koordination macht klar, welche Aufgaben gerade anliegen, in welcher Reihenfolge gearbeitet werden sollte oder wer sich beteiligen sollte.3
Führung auf der anderen Seite bestimmt überhaupt erst einmal den Zielzustand in seinem selbst definierten Rahmen begrenzt durch das Korsett. Und dann motiviert Führung kompetente Menschen, ihre Kräfte auf die Herstellung des Zielzustandes zu fokussieren.
Im Bild vom Fließband oben ist keine Führung erkennbar und auch nicht nötig, damit die Fließarbeiterinnen ihre Aufgaben erledigen. Die Koordination ist ebenfalls automatisch. Allerdings ist eine bisher ungenannte Funktion zu sehen: Management. Der Mann mit Mütze und Kittel auf der linken Seite ist kein sehr wahrscheinlich kein Koordinator und keine Führungsperson, sondern ein Manager.
Führung vs Management
Management wird auch gern mit Führung verwechselt. Das halte ich für ein noch größeres Missverständnis als Führung mit Koordination in einen Topf zu werfen. Denn Management und Führung haben völlig gegensätzliche Grundhaltungen.
Was ein Team ausmacht ist Führung. Was Führung bei Menschen zunächst erreicht, ist Gefolgschaft. Wenn Führung gelingt, folgen Menschen ihr — und zwar freiwillig.
Führung erzeugt Übereinstimmung mit sich und innerhalb der Gefolgschaft.
Führung vertraut und stellt Vertrauen her.
Führung inspiriert und lässt sich inspirieren.
Die Grundlage von Führung ist Nähe: Nähe zum Metier, zu dem, worum es beim Zielzustand geht; und Nähe zu den Menschen, die ihn herstellen sollen. Nur durch die Nähe wird aus einer Gruppe von Menschen ein Team, eine Mannschaft, eine wirkliche Einheit. Insofern ist Führung stets persönlich. Sie ist stark von den Menschen abhängig.
Die Aufgabe von Management ist zwar auch, mit den von ihm gemanageten, verwalteten Menschen einen Zielzustand herzustellen — doch diese Menschen sind nicht mehr unabhängig.
Management fordert Gehorsam von abhängig Beschäftigten gegenüber einem Regelsystem.
Management misstraut und muss daher kontrollieren.
Management bewegt Menschen mit Belohnung und Bestrafung.
Der Ausgangspunkt von Management ist Distanz. Insofern ist Management unpersönlich, anonym. Im Idealfall macht der Austausch eines Managers keinen Unterschied für die Erreichung eines Zielzustands. Und auch der Austausch einer seiner human resources sollte keinen Unterschied machen.
Diese Beschreibung mag des Management mag hart klingen und ich habe sie auch bewusst spitz formuliert. Natürlich sind nicht all die Menschen, die in ihrem Arbeitstitel den Begriff “Manager” führen, “Sklaventreiber”. Natürlich sind ihnen die gemanageten Menschen nicht einfach egal.
Der (ursprünglichen) Funktion von Management tut das jedoch keinen Abbruch. Management ist — nach meinem Dafürhalten — nur eine nötige Funktion, wo Führung schwach ist. Eine schwache Führung wird versuchen, ihren mangelnden oder schwindenden Einfluss durch die Etablierung von Management zu kompensieren.
Hierarchien sind in Unternehmen allgegenwärtig; mal sind sie tiefer, mal flacher. Um welche Art von Hierarchien handelt es sich aber? Geht es um Führung oder Koordination? Beide Funktionen sind unzweifelhaft nötig, wenn ein Unternehmen als Team agieren soll. Oder geht es um Management? Oder ist es eine bunte Mischung, in der vielen unklar ist, was eigentlich ihre Funktion ist? Oder fühlen sich die Hierarchiemitglieder hin und her gerissen zwischen diesen Funktionen — und meinen auch noch, Aufgaben in der Produktion übernehmen zu müssen?4
Mir scheint, Letzteres ist ein weit verbreiteter Zustand. Der macht die Unbeweglichkeit vieler Organisationen aus. Sie verlieren viel Kraft durch mangelnde Klarheit bei der Unterscheidung dieser Begriffe.
Ich denke, die Existenz von Management ist in jedem Fall ein Zeichen von Führungsschwäche und deshalb kontraproduktiv für Teamwork. Krass gesagt ist Management Verschwendung; davon kann niemand mehr wollen. Bessere Führung, bessere Koordination, bessere Produktion: das alles ist sinnvoll. Besseres Management hingegen ist “putting lipstick on a pig”.
Führungsaufgaben
Jedes Team beginnt mit der Funktion Führung. Führung steht am Anfang, denn ohne ihre Entscheidung für einen Zweck der Organisation, gibt es nicht einmal eine Notwendigkeit für ein Team.
Der Zweck spannt einen Raum auf, der von außen durch das KORSETT begrenzt wird. In dem verortet Führung dann ZIELZUSTÄNDE, die sich in dem von ihr definierten RAHMEN erreichen lassen.
Mit all dem zieht Führung Grenzen. Das ist ihre erste Aufgabe. Sie entscheidet was sein soll und was nicht. Führung hebt eine Organisation als System von einer Umwelt ab. Mit Führung gibt es ein Innen und ein Außen. Insofern bestimmt Führung auch, wer Mitglied in der Organisation wird bzw. wer die Organisation verlassen muss. Personalentscheidungen sind Führungsentscheidungen.
Wichtig ist dabei, dass der Eintritt in die Organisation freiwillig ist. Führung muss also MOTIVATION erzeugen können, ihr zu folgen. Denn Teammitgliedschaft darf nicht erzwungen werden. Freiwilligkeit ist wichtig, weil nur aus ihr heraus VERTRAUEN erwachsen kann.
Warum Vertrauen? Weil Führung eben kein Management ist und keine Koordination. Ein Team lebt davon, dass nicht alles “durchkontrolliert” ist. Das erhöht die Effizienz bei der Erreichung des Zielzustands. Trust is speed.
Teammitgliedschaft muss freiwillig sein und innerhalb eines Teams müssen die Handlungen der Mitglieder in AUTONOMIE erfolgen. Das bedeutet nicht, dass sie beliebig sind, sondern dass zu jedem Zeitpunkt die Entscheidungen in der OPERATION dort getroffen werden, wo die Informationslage am besten ist. Innerhalb der Autonomie orientieren sich Teammitglieder selbstverständlich am Zielzustand. Jeder ist jederzeit an seinem Platz mitverantwortlich für dessen Erreichung.
Das führt zu einer weiteren Aufgabe von Führung: die Herstellung von KLARHEIT. Führung muss beständig darauf bedacht sein, dass höchstmögliche Klarheit in jeder Hinsicht herrscht.
Klarheit in Bezug auf Zielzustand, Rahmen und Korsett5
Klarheit in Bezug auf die nötigen Kompetenzen und ihre Präsenz6
Klarheit in Bezug auf das Was, d.h. die Aufgaben (Produktion)7
Klarheit in Bezug auf das Wann und Wer (Koordination)8
Führung selbst tut all das nicht. Sie muss jedoch die Bedingungen herstellen, unter denen Klarheit entstehen und herrschen kann.
Wenn nun der unbedingte Wille in den Teammitglieder inspiriert wurde, in Klarheit das Beste zu tun, was in jeder Situation getan werden kann, um dem Zielzustand mit dem größten Schritt näher zu kommen… dann braucht es noch eine letzte Zutat, um den Willen auch verlustfrei zum Ausdruck zu verhelfen.
Was ich meine, kommt in dieser Spielsituation zum Ausdruck:
Spieler A hat den Ball und kommt dem Zielzustand näher. Er hat eine Chance, den Punkt zu holen. Doch dann tut sich vor ihm ein Gegenspieler als Hindernis auf. Dem versucht er nicht, mit dem Ball auszuweichen, sondern… gibt ihn an Mitspieler B ab. Die Wahrscheinlichkeit, den Zielzustand zu erreichen, soll damit erhöht werden.
Spieler A ist ein echter team player. Er verrichtet die Aufgabe, die am schnellsten zum Zielzustand führt — und nicht die Aufgabe, die ihm persönlich vielleicht den größten Ruhm verspricht. Denn wer möchte nicht der Spieler sein, der den Punkt holt?
Der Zielzustand, das Teamergebnis, wird von A höherwertig eingeschätzt als sein persönliches Ergebnis. Er ist bereit, seinen potenziellen Ansehensvorteil für das Team zu opfern. Dass ist eine weithin unterschätzte Komponente von Teamwork. Diese Haltung bei allen Teammitglieder zu motivieren, ist essenzielle Aufgabe von Führung.
Teamwork kann nur gedeihen, wenn Führung versteht, BESCHEIDENHEIT oder OPFERBEREITSCHAFT zu vermitteln. Teams können nur ruhmreich sein, wenn Teammitglieder für sich nicht nach Ruhm streben.
Klarheit sorgt dafür, dass in jedem Moment offensichtlich ist, was zu tun ist. Dass das aber auch getan wird, hängt nicht nur von der Kompetenz der Teammitglieder ab, sondern auch von deren Opferbereitschaft. Persönliche Vorteile — z.B. als punktender Spieler gefeiert werden oder schlicht Bequemlichkeit — haben im Teamwork keinen Platz.
Dazu gehört auch die Angst vor Fehlern! Möglichen Fehlern aus dem Weg zu gehen, ist eine Form von persönlicher Optimierung im Widerspruch zu globaler Optimierung für das Teamergebnis.
Spieler A im obigen Beispiel kann sich nur frei fühlen in seiner Entscheidung, wenn er weder fürchtet, abgekanzelt zu werden, wenn er den Ball zu lange hält oder den Ball zu früh abgibt oder den Ball unglücklich wirft oder einen Ball schlecht fängt oder verliert. Das alles soll nicht passieren, aber es kann passieren. Dass es nicht passiert, dafür sorgt umfassender Kompetenzaufbau aka Training. Dennoch… im Eifer des Spiels kann es dann doch passieren.
Davor darf Spieler A jedoch keine Angst haben und sich in einer Komfortzone einigeln, statt die sichtbar anstehende Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen zu erledigen. Er weiß, dass er den anderen vertrauen kann und sie ihm vertragen, stets das zu tun, was dem Zielzustand am ehesten dient. Dieses Vertrauen sollte er nicht für persönlichen Vorteil enttäuschen wollen.
Vertrauen und gegenseitige WERTSCHÄTZUNG sind nötig für eine Atmosphäre, in der stets das Bestmögliche getan oder zumindest versucht wird. Eine teamworkzuträgliche Fehlerkultur ist mithin Führungsaufgabe.
Das sind aus meiner Sicht die universellen Grundwerte jedes Teams. Ob es Rugby spielt oder einen Rennwagen auffrischt oder Software entwickelt oder von mir aus auch Brötchen verkauf, ist unerheblich. Ohne, dass diese Grundwerte gelebt werden, können zwar auch Zielzustände erreicht werden — doch das geschieht dann nicht im Teamwork.
Wann ist Teamwork sinnvoll?
Und warum Teamwork? Die Grundwerte zu leben, gut zu führen, scheint sehr schwierig. Zielzustände nicht als Team zu erreichen, sondern nur “irgendwie” koordiniert und gemanaget, könnte doch viel einfacher sein.
In der Tat, Teamwork ist kein Selbstzweck. Es ist nur eine Form der Arbeit einer Gruppe von Menschen. Und diese Form sollte der Sache, d.h. zumindest dem Zweck und dem Zielzustand und dem Korsett angemessen sein.
Wann also Teamwork statt kontrollierte Arbeit unter Management?
Ich denke, dass Teamwork einen Nachhaltigkeitsvorteil hat. Im Teamwork ist der Ressourcenverbrauch geringer. Ressourcen sind für mich hier sowohl der Kunde wie die Teammitglieder selbst.
Die Teammitglieder verschleißen weniger schnell, weil sie Sinn und Wertschätzung und Selbstwirksamkeit erleben.
Der Kunde verschleißt weniger schnell, weil die Qualität der Arbeit besser ist. Es wird nicht lokal optimiert für Subsysteme einer Organisation, sondern auf das Gesamtergebnis hin.
Außerdem hat Teamwork einen Vorteil in Unklarheit. Wenn die Umwelt in Bewegung ist, wenn Unvorhergesehenes auftreten kann, wenn also der Zielzustand “nicht auf Schienen” erreicht werden kann, dann punktet eine Organisation mit Teamwork. Das scheint mir der Grund, warum Teamwork heute in aller Munde ist: Unternehmen spüren, dass sie in zunehmender Unsicherheit operieren und ahnen, dass dafür eine andere Arbeitsorganisation als die bisher managementlastige nötig ist.
Widerspricht dem aber nicht das Pit-Stop-Beispiel? Ist dort nicht alles sonnenklar und vollständig planbar? Eigentlich. Es sollte so sein. In der Realität steckt der Teufel aber auch hier im Detail. Dieses Bild zeigt, dass Motivation, Autonomie, Umsicht selbst hier gefragt sind:
Das Teammitglied war schon wie seine Kollegen in Bereitschaftsstellung für den Rennwagen “im Anflug”. Doch dann beugt es sich vor und liest etwas vom Boden auf, vielleicht einen Stein, vielleicht eine Schraube. Er hat etwas entdeckt, das den Erfolg des Teams hätte behindern können. Das war selbst in diesem stromlinienförmig gestalteten Teamwork unerwartet. Gut, dass das Teammitglied motiviert, umsichtig und autonom war. Es hat seine Freiheitsgrade genutzt, um die Erfolgswahrscheinlichkeit im letzten Moment noch etwas zu steigern.
Also: Teamwork führt zu überlebensfähigeren Organisationen in einer sich wandelnden Welt.
Wenn es hakt bei der Zusammenarbeit
Was tun, wenn es mit dem Teamwork nicht so klappen will, wie erwartet? Der Zielzustand wird nicht so schnell wie erwartet oder nicht mit der geplanten Qualität erreicht. Die Deutsche Nationalelf hat demonstriert, dass das auch den vermeintlich Besten passieren kann.
Die Ursachen für Misserfolg können in all den genannten Aspekten liegen. An allem kann es mangeln. Die Frage ist nur, wo der Engpass steckt, d.h. der Mangel, der den Erfolg im Moment am stärksten begrenzt.
Meine Beobachtung ist, dass reflexartig in folgender Reihenfolge vermutet wird:
Es mangelt an Kompetenz, d.h. das Team hat zu wenige Mitglieder und/oder die Mitglieder sind noch nicht kompetent genug. Darunter fällt auch die Vorstellung, dass ihnen noch Tools fehlen oder das Material suboptimal ist.
Es mangelt an Motivation. Die Teammitglieder haben nicht genügend Willen, ihre Kompetenz optimal einzusetzen. Sie sind langsamer als sie sein könnten. Sie scheuen Aufgaben anzugehen, weil sie keine Lust haben.
Dem Management fehlt Information. Es kann nicht schnell genug die besten Entscheidungen für Mitglieder in der Produktion oder Koordination treffen.
Es fehlt an Koordination, d.h. es ist nicht offensichtlich, wer wann was wie am besten tun sollte. Und/oder dieses Bild verschiebt sich ständig.
Es mangelt an einem klaren Bild vom Zielzustand z.B. in Form von Sinn, Vision, Mission.
Es fehlt Vertrauen unter den Mitgliedern in der Produktion und Koordination.
Wo sich dann eine Vermutung besonders plausibel anhört oder Kontrolle über eine Intervention existieren könnte, wird eingegriffen. Es wird geschult, es werden Motivationseminare besucht, es werden neue Reportingregeln eingeführt und Meetings verordnet, es werden Prozessoptimierungen versucht.
Und all das kann auch zu irgendeinem Erfolg führen, der mehr oder weniger lange anhält. Je unsystematischer die Verbesserungsinitiative aber ist, je weniger sie das big picture betrachtet und nach dem aktuellen Engpass sucht, desto flüchtiger ist der Erfolg. Auch kann nicht klar zwischen einem echten Effekt oder dem Hawthorne-Effekt unterschieden werden.
Was hingegen kaum in Frage gestellt wird, ist die Existenz von Management schlechthin. Warum ist es in der Organisation, die eigentlich ein Team sein will, nötig? Warum ist Führung der Operation so entrückt?
Daraus folgt die Frage, was es für Folgen hat, wenn Führung “in einer Umlaufbahn” weit weg schwebt. Was hat das für Auswirkungen auf den “Schmierstoff” des Teamwork wie z.B. Vertrauen, Bescheidenheit? Besteht dann noch ein Antrieb zu echter Klarheit in jeder Hinsicht, um in “koordinierter Autonomie” stets das Beste zu tun? Können sich in Abwesenheit von Autonomie und Wertschätzung Prozesse aus innerer Initiative verbessern? Oder leistet die Distanz der Führung einem bureaucracy creep Vorschub, der die Mitglieder mehr und mehr in eine Managementzwangsjacke einnäht?
Tendenziell glaube ich, dass viele Teams unter einer Management-Verkrustung leiden. Deshalb ist die Klarheit suboptimal, deshalb wird nicht sauber koordiniert, deshalb ist die Motivation gering, deshalb fehlt es an Bescheidenheit, die zu sehr lokalen und persönlichen Optimierungen auf mehreren Ebenen führt.
Dass es an Kompetenz und/oder Mitgliedern mangelt, dass wirklich fehlende Tools die Misere ausmachen, scheint mir eher sekundär oder tertiär.
Aber wie kommt es zu einer Management-Verkrustung? Das ist Führungsschwäche. Führung unterscheidet erstens nicht genau genug zwischen Management und Koordination. Zweitens ist es für Management bequem, sich in Entfernung von der Operation einzurichten. Dort scheint die Realität mehr, wie man sie sich wünscht. Außerdem: Wer hat schon gelernt, zu führen und nicht zu managen? Wer hat gelernt, zu inspirieren, Klarheit zu schaffen oder Bescheidenheit vorzuleben?
Wenn das Teamwork nicht so will, wie es soll, gibt es kein Patentrezept für eine Verbesserung. Jedenfalls nicht im Konkreten. Nur auf der abstrakten Ebene kann aus meiner Sicht ganz universell formuliert werden:
Alle Aspekte sind ohne Zorn und Eifer in den Blick zu nehmen, bevor irgendwo eine Intervention angestoßen wird.
Bei der Untersuchung der Situation ist nach dem jeweils einen am stärksten limitierenden Faktor im Wirknetzwerk zu suchen, das einen Zielzustand herstellen soll.
Teamwork ist kein Selbstläufer. Teamwork ergibt sich nicht einfach, weil man in der Stellenausschreibung Teamfähigkeit fordert. Teamwork hat “harte” Anteile wie Kompetenzen, Koordination, Werkzeuge, Klarheit. Es hat aber auch weiche Anteile wie Werte, Motivation, Vertrauen, Bescheidenheit. Gute Führung ist sich dessen bewusst — und das ist unabhängig davon, ob ein Führer sie verkörpert oder ein Team sich gemeinschaftlich selbst führt. Beides ist möglich, auch wenn noch die Vorstellung vorherrscht, dass Führung am besten eine charismatische Spitze hat.
Das ist verständlich und vielleicht sogar zunächst einfacher. Früher oder später erzeugt es jedoch ein Nachfolgeproblem. Wenn der ursprüngliche eine gute Führer nicht adäquat beerbt wird, droht die Organisation zu regredieren.
Es braucht natürlich auch MATERIAL und WERKZEUGE, mit denen kompetente Teammitglieder ihre Aufgaben erledigen. Ich will mich hier jedoch auf die menschlichen Aspekte konzentrieren.
Es muss keine der Funktionen durch eine spezielle Person ausgefüllt werden. Es können immer mehrere sein. Auch Tools, Vereinbarungen, Methoden mögen helfen, Funktionen zu erfüllen.
Koordination kann aktiv sein und von einem Koordinator ausgehen. Oder Teammitglieder koordinieren sich durch Beobachtung selbst. Koordination kann vorgedacht werden in Form von Plänen und Prozessen oder sie kann spontan erfolgen, d.h. reaktiv auf die aktuelle Situation.
Ich spreche mich also nicht gegen Hierarchie aus — nur sollte es eine funktionale, angemessene sein. Führung in Hierarchie oder Koordination in Hierarchie finde ich nicht per se schlecht. Hierarchie ist ein probates Mittel der Skalierung. Nur muss man vorsichtig sein: Hierarchie erzeugt immer auch Distanz.
Dazu gehören die oft genannten Begriffe wie Sinn, Vision, Mission. Im Weiteren Sinn fällt hierunter allerdings auch Administratives, was die Organisation kompatibel zum Korsett hält.
Dazu gehören auch der Einstellungsprozess und Fortbildung und Materialbeschaffung.
Dazu gehört nicht nur die Herstellung der Zielzustände, sondern auch der Verkauf, d.h. ihre Beschaffung.
Dazu gehören Prozesse, Routinen, Arbeitsorganisation.