Es lässt sich nicht beschönigen: Ja, du bist der Engpass für die Arbeit, die du erledigen musst. Denn du bist die einzige Ressource, die mit dieser Arbeit betraut werden kann. Wäre das nicht so, hättest du deinen Job nicht.
Alle Arbeit, die du erledigen musst, ist durch deine Kapazität begrenzt. Offensichtlich ist das, wenn du krank bist: alle deine Arbeit bleibt liegen. Du als Engpass bist dann sogar “verschlossen”; keine Arbeit fließt in der Zeit durch dich durch.
“Da draußen” sind “vor dir” so viele, die Aufgaben für dich haben. Du kannst ja aber immer nur an einer Aufgabe zur Zeit arbeiten. Und “hinter dir” warten dieselben oder andere darauf, dass du endlich wieder eine Aufgabe erledigst und das Ergebnis weiterreichst.
Siehst du, fühlst du, wie du der Engpass bist? Deine Arbeitszeit ist begrenzt, damit ist begrenzt, was von all dem, was anliegt, von dir bearbeitet werden kann. Es ist nicht zu ändern. Es ist bitter.
Für deine Kolleginnen und Kollegen gilt natürlich dasselbe in Bezug auf die Aufgaben, für die sie verantwortlich sind. Du bist also nicht allein mit dem Engpass-Urteil.
Aber was machst du nun damit? Der Engpass zu sein, der Flaschenhals, der limitierende Faktor: das fühlt sich bestimmt nicht gut an. Schon der Gedanke kann dich stressen.
Prinzipiell kannst du nichts machen. Für deine Arbeit bist du die einzige und damit ergebnisbegrenzende Ressource. Doch mit einem Engpass kann in guter oder schlechter Weise umgegangen werden. Wie du arbeitest, hast du hoffentlich (zum größten Teil) unter Kontrolle.
Wie mit Engpässen am besten umgegangen wird, ist Thema der so genannten Engpasstheorie (Theory of Constraints (TOC)). Seit Ende der 1980er wurde sie schon in vielen Bereichen angewandt, vor allem in der Produktion. Ziel ist es, den bestmöglichen Arbeitsfluss herzustellen. Die TOC nennt das Optimierung des Durchsatzes.
Durchsatz bedeutet “Anzahl der verarbeiteten Einheiten pro Zeit”. Wenn du z.B. 10 Aufgaben zu erledigen hast und nach 60 Minuten 6 erledigt hast (60%), dann ist das dein Durchsatz pro Stunde.
Aber ich will dich nicht mit der Theorie der Engpasstheorie belasten. An dieser Stelle ist nur wichtig: Wenn du der Engpass bist, dann gibt es Ansatzpunkte, wie du dein Los verbessern kannst. Die Wissenschaft hat sich schon Gedanken darüber gemacht. Die TOC definiert einige glasklare Schritte, die dazu dienen, deinen Durchsatz zu erhöhen.
Erleichternd dabei: Das macht dir nicht mehr Stress, sondern weniger! “Produktiver und zufriedener” ist die Botschaft der TOC.
Das ist dein Engpass
Das bist du, nein, das ist das, was dich zum Engpass macht: deine strickt und grundsätzlich begrenzte Kapazität. Du hast nur (der Einfachheit halber angenommen) 8 Stunden pro Tag, in denen du Aufgaben erledigen kannst.
Für den Umgang mit deiner “Engpasshaftigkeit” ist es allerdings zunächst weniger wichtig, ob die Arbeit darin zu bestimmten Uhrzeiten stattfindet…
…oder einfach nur diese Kapazität zunehmend auslastet:
Egal, wie viel Arbeit sich auf deinem Schreibtisch (oder in deiner Inbox) türmt, sie muss komplett durch diese 8 Stunden pro Tag durch. Was du heute nicht schaffst, das musst du eben morgen erledigen oder übermorgen usw.
Solange die Arbeit pro Tag nicht mehr Zeit braucht als deine Tageskapazität, ist alles ok. Hier eine beispielhafte Entwicklung, die dich nicht stressen sollte:
Morgens kommst du ins Büro und es liegen schon drei Aufgaben vor.
Um 11:30 hast du zwei abgearbeitet; die dritte wirst du gleich beginnen.
Um 12:00 ist auch die dritte erledigt, aber in der Zwischenzeit sind zwei weitere Aufgaben eingetroffen. Du machst dich an die 4.
Um 13:30 ist auch die erledigt. Leider ist wieder eine neue auf deinem Stapel.
Aber um 16:00 hast du auch Aufgabe 5 und 6 erfolgreich abgearbeitet. Dir bleibt noch eine Stunde Luft bis zum Feierabend.
So eng getaktet arbeitest du natürlich sehr selten Aufgaben ab. Du kannst dich auch gar nicht 7 Stunden oder auch nur 4 so konzentrieren. Also wird die Luft nicht am Ende sein, sondern zwischendrin. Keine Sorge, dass dich deine Vorgesetzte um 16:00 beim Däumchen-drehen erwischt.
Dennoch: Die ganze Arbeit konntest du “locker” mit deiner Kapazität erledigen. Sehr schön! Kein Stress.
Wenn das doch nur die Realität wäre.
In der Realität sieht es spätestens gegen Ende des Tages nämlich eher so aus:
Der Haufen des noch Unerledigten braucht mehr Kapazität, als du noch hast. Du schaffst die Arbeit nicht. Du bist überlastet. Du fühlst Stress.
Woher kamen denn auch die Aufgaben, die schon um 9:00 auf deinem Tisch waren? Sie sind Überträge vom Vortag. Das ist normal. Und damit stellt sich die Frage: Wie planst du eigentlich deinen Tag? Wie verteilst du das, was schon anliegt? Wie gehst du mit dem um, was während des Tages noch dazu kommt?
Erschwerend kommt hinzu, dass du — anders als in den Abbildungen suggeriert — oft nicht weißt, wie lange du für eine Aufgabe brauchst. Meistens ist es länger, als du zunächst gedacht hast; manchmal ist es sogar viel, viel länger.
Was morgens noch überschaubar aussah, hat sich über den Tag zu viel mehr Arbeit ausgewachsen. Die anfänglichen Aufgaben sind erst um 14:45 erledigt, nicht schon um 12:00 wie gedacht. Bis dahin sind drei weitere eingegangen, von denen du eine Idee für den Aufwand hast — doch du kannst nicht sicher sein, ob du es wirklich in der Zeit schaffen wirst. Bisher hast du ja auch daneben gelegen mit deinen Schätzungen.
Die Gründe für Fehleinschätzungen der Erledigungsdauer sind vielfältig. An dieser Stelle nur so viel: Sei dir gewiss, es dauert immer länger als du dir wünschst oder du auch nur wüsstest oder wissen könntest.1
Du bist als Aufgabenerledigungsressource also mit mindestens drei Formen unvorhersehbarer Variabilität konfrontiert:
Es kommen mal mehr und mal weniger Aufgaben auf dich zu.
Die Aufgaben sind unterschiedlich groß, d.h. du brauchst unterschiedlich lange für sie.
Du verschätzt dich unterschiedlich, mal mehr, mal weniger — aber eigentlich immer zu deinen Ungunsten, d.h. es dauert länger als zunächst angenommen, die Aufgaben zu erledigen.
Dass du etwas tun musst, um als Engpass unter diesen Umständen nicht allen anderen eine Last zu sein, ist damit hoffentlich plastisch geworden.
Zwischenfazit
Zum Glück gibt es die Engpasstheorie mit einer klaren Wegbeschreibung, wie du das Problem angehen kannst. Lass mich die Theorie in für dich verständliche Worte übersetzen.
Den ersten Schritt auf dem Weg zur Besserung hast du sogar schon getan: Du hast verstanden, wo/was der Engpass ist: deine Kapazität pro Tag.2 Damit gilt es, optimal umzugehen. Wie kannst du nun das meiste aus deiner Kapazität herausholen und möglichst stressfrei arbeiten?
Im nächsten Artikel schauen wir uns an, was der zweite Verbesserungsschritt der Engpasstheorie dazu empfiehlt.
Nächster Teil der Serie:
Zumindest gilt das für nicht-triviale Aufgaben. Aber selbst ein kurzer Anruf, der nur 2 Minuten dauern sollte, kann sich zu einem Zeitfresser ausweiten.
Allgemeiner: die Kapazität in einem Zeitraum. Du kannst auch 40 Stunden pro Woche oder 174 Stunden pro Monat usw.