Die Realität deines Tagesgeschäfts sieht so aus: Du planst eine Reihe von Aufgaben für den Tag — die brauchen dann alle länger als du dachtest. Deshalb schaffst du nicht alle und es entsteht ein Übergang für morgen. Außerdem hast du ohnehin nicht alle Aufgaben, die schon anlagen, eingeplant und einige sind auch über den Tag neu hinzugekommen.
Auf diese Weise entsteht eine wachsende Warteschlange an Aufgaben. Und zu jeder Aufgabe gehört ein Auftraggeber, der dir alsbald im Nacken sitzt. Der macht dir Druck, damit du endlich seine Aufgabe erledigst. Das macht dir Stress. Das drückt auf die Qualität deiner Leistung. Außerdem wirst du dadurch unsystematischer bei der Abarbeitung der Aufgaben, so dass alles länger dauert und die Warteschlange weiter wächst. Es ist ein Teufelskreis.
Zum Glück ist der Ausgangspunkt des Teufelskreises einfach zu identifizieren: die Überlastung deiner Kapazität mit Aufgaben.
Du planst mehr ein, als du schaffen kannst. Du nimmst dir zu viel vor. Du versprichst deinen Auftraggebern zu viel.
Bei gegebener Kapazität — deiner täglichen Arbeitszeit — bist du zu optimistisch, was deine Planung angeht. Du packst dir den Tag einfach voll mit Aufgaben, denn du willst ja etwas wegschaffen. Man erwartet von dir, dass du deine teuer mit Gehalt bezahlte Arbeitszeit voll ausnutzt. Weniger als eine Auslastung von 95% ist eigentlich nicht akzeptabel, wenn du dein Geld wert sein sollst. Und nicht nur überhaupt eine 95%ige Auslastung, sondern eine geplante 95%ige Auslastung.
Nur funktioniert es leider so nicht. Die Variabilität in deinen Aufgaben ist zu groß, als dass du dich so auslasten könntest, ohne dass dir dein Plan um die Ohren fliegt:
Aufgaben sind unterschiedlich groß und du weißt nicht, in welcher Größe die nächsten an dich herangetragen werden. Manche sind in 2 Minuten, manche in 15 Minuten, andere in 120 Minuten erledigt; auch solche, die 2-3 Tage dauern, wird es geben.
Aufgaben dauern immer länger als du denkst, doch wie viel länger ist auch sehr unterschiedlich. Manche brauchen 10% länger als geplant, andere 50% oder auch mal 500%.1
Wann wie viele Aufgaben an dich herangetragen werden, ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Mal kommen mehrere innerhalb einer Viertelstunde rein, dann wieder ist für 2-3 Stunden Ruhe.
Diese Variabilität macht eine Besonderheit der Arbeit im Office aus. Sie ist eine große Herausforderung.
Ansatzpunkte für die Entlastung
Du bist also überlastet. Du schaffst nicht, was anliegt. Was kannst du tun?
Kapazität erhöhen
Die erste Lösung, die vielen einfällt ist… Überstunden schieben. Übersetzt in unsere Sprache hier bedeutet das, die Kapazität zu vergrößern.
Wenn du deine Stunden aufstockst, kannst du auf der Arbeit auch mehr schaffen. Das liegt doch auf der Hand, oder? So einfach kann die Lösung sein. Im Bild ist sogar noch Luft. Eine weitere Aufgabe, die sonst auf den nächsten Tag verschoben worden wäre, könnte noch erledigt werden.
Ja, das ist eine probate Lösung, die gern von Selbstständigen oder Vorgesetzten angewendet wird… doch sie ist nicht nachhaltig. Das hält man nicht ohne Schaden lange durch.
Und sogar die Wissenschaft sagt — hier: die Engpasstheorie —, dass eine Kapazitätsvergrößerung das Letzte ist, was getan werden sollte. Sie kostet nämlich zusätzliches Geld, das auch wieder verdient werden will. Du willst eine Zulage für Überstunden. Oder alternativ wird eine weitere Kraft eingestellt, die auch Geld kostet.
Nein, daran zu denken, deine Kapazität zu vergrößern, ist keine gute Idee. Darüber hast du auch wenig Kontrolle.
Effizienz steigern
Wenn du deine Kapazität nicht ändern kannst, was kannst du dann tun? Du kannst einfach mal schneller arbeiten. Wie wäre das?
Im Bild hast du jede Aufgabe einfach schneller erledigt. Du hast die Dauer um 10% gesenkt. Und schon haben alle Aufgaben in die unveränderte Kapazität gepasst. Das ist doch ein Fortschritt, oder?
Ja, nicht schlecht. Aber das ist diese Verbesserung hat zwei Gesichter. Denn wie hast du diese Effizienzsteigerung hingekriegt?
Hast du fokussierter gearbeitet? Dann hast du z.B. Unterbrechungen und Ablenkungen reduziert.
Hast du die Arbeit besser vorbereitet? Dann bist du nicht so in unerwartete Abhängigkeiten gelaufen, die dich Zeit kosten.
Hast du deine Kompetenz gesteigert, so dass du schlicht schneller warst in der Erledigung.
Hast du Tools eingesetzt, die dir geholfen haben, schneller zu sein?
Besserer Fokus und bessere Vorbereitung gehören zum einen Gesicht der gesteigerten Effizienz. Die Kompetenzsteigerung und der Tooleinsatz gehören zum anderen Gesicht.
Das zweite fällt wieder in dieselbe Kategorie wie der erste Ansatz: du hast deine Kapazität gesteigert. Dieses Mal hast du nicht die Zeit ausgedehnt, sondern deine rohe Verarbeitungsgeschwindigkeit erhöht. Darauf setzen viele, wenn sie ihren Stress reduzieren wollen. Doch auch hier gilt: das ist die letzte Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden sollte laut Engpasstheorie. Sie nennt das “Anhebung des Engpasses” (Engl. elevation of constraint).
Mehr Zeit oder mehr Kompetenz oder mehr Tools kosten eben Geld. Das muss man sich leisten können. Kannst du darüber entscheiden?
Besserer Fokus und bessere Vorbereitung hingegen kosten kein Geld. Das kannst du einfach tun. Im Grunde musst du niemanden fragen. Fokussiere dich schlicht mehr. Bereite dich besser vor. Du nutzt damit mehr aus, was du an Kapazität (Zeit), Kompetenz und Tools schon hast.
In der Engpasstheorie gehört das zur ersten Maßnahme, die ergriffen werden sollte, um mit einem Engpass besser umzugehen. Das wird “Ausnutzung des Engpasses” (Engl. exploitation of constraint) genannt.
Effektivität steigern
Wenn du Aufgaben nicht schaffst zu erledigen, dann ist es nicht egal, welche Aufgaben das sind. Manche sind wichtiger als andere, manche sind dringender als andere.
Schau nochmal darauf, wie dieser Tag gelaufen ist:
Waren es kluge, d.h. stressreduzierende Entscheidungen, die Aufgaben für den Tag so zu planen?
Die entspannteste Aufgabe stand am Anfang. Verständlich, aber nicht hilfreich, wenn schon absehbar war, dass es eine Aufgabe für den Vorgesetzten zu erledigen gab, die dann auch prompt zur Überstunde geführt hat.
Eine dringende Aufgabe wurde gar nicht erledigt, sondern auf den nächsten Tag verschoben.
Eine schwierige Aufgabe kam auch nicht wie geplant dran. Sie droht nun am nächsten Tag wieder und wird dadurch nicht einfacher.
Was ist mit den Aufgaben für die Bank und die Vorstandssitzung, die in der Warteschlange stehen? Hätten die nicht vielleicht statt der Aufgabe für die Weihnachtsfeier erledigt werden sollen?
Nein. Die Aufgaben waren nicht effektiv geplant. Effektiv bedeutet: Es wird mit der Kapazität “das Beste” getan; die Kapazität wird für das Richtige eingesetzt. Was ist das Richtige? Das, was am meisten “Wert” erzeugt. Oder das, was am wichtigsten und/oder am dringendsten ist.
Hier eine alternative Tagesplanung mit daraus folgender Realität:
Das Dringende steht gleich am Anfang auf dem Plan. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass es fristgerecht erledigt wird.
Dann kommt die Aufgabe des Vorgesetzten dran. Wenn die nicht zügig erledigt wird, gibts Druck. Der kann die weitere Aufgabenbearbeitung nur verschlechtern.
Danach die schwierige, gefürchtete Aufgabe. Zu riskieren, dass sie (wieder) nicht erledigt wird, kann den Stress nur vergrößern.
Anschließend die Aufgabe für den Vorstand.
Und anschließend die Aufgabe, die nicht so unangenehm sind.
Natürlich kommt es auch mit einem solchen Plan, wie es kommen muss. Die Aufgaben laufen aus dem Ruder, alle dauern länger als geschätzt.
Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zum ursprünglichen Plan: Die Aufgaben, die durch Nichterledigung den Stress vergrößert hätten, sind trotz Mehraufwand geschafft.
Lediglich eine der entspannteren Aufgaben konnte nicht abgeschlossen werden. Doch das macht nichts. Sie zu unterbrechen und pünktlich Feierabend zu machen, ist kein Problem. Auch andere Aufgaben müssen auf den nächsten Tag verschoben werden. Manche waren bekannt — z.B. die Aufgabe zur Weihnachtsfeier —, andere waren nicht bekannt, weil sie über den Tag reingekommen sind — z.B. die Aufgabe für die Bank.
Zumindest jedoch das, was zum Planungszeitpunkt schon in der Aufgabenliste war, ist so eingeplant worden, dass die Stressreduktion größtmöglich ist.
Das ist effektive Arbeit: Bei gegebener Kapazität und bei gegebenen Fehleinschätzungen in Bezug auf die Erledigungsdauer für die Aufgaben, wurde “das Beste” daraus gemacht.
Die Kapazität nicht “irgendwie” mit anliegenden Aufgaben zu füllen, sondern genau hinzuschauen und Aufgaben auszuwählen, die “am besten passen”, das nennt man priorsieren.
Welche Kriterien einer Aufgabe eine höhere Priorität geben als einer anderen, sei hier dahingestellt. Dass es aber überhaupt Kriterien gibt, die angewendet werden sollten, ist essenziell. Vielleicht ist es für dich hilfreich, die Priorisierung so zu verstehen:
Priorisierung reduziert die Wahrscheinlichkeit für zukünftigen Stress.
Deine Kapazität ist begrenzt, es kann immer passieren, dass du etwas nicht schaffst. Welche Aufgaben sind es dann, die am ehesten geschafft werden sollten? Sie bekommen eine höhere Priorität.
Im Sinne der Engpasstheorie ist Priorisierung auch ein Aspekt der ersten Maßnahme für den Umgang mit dem Engpass. Durch Priorisierung wird die Kapazität besser ausgenutzt (exploitation).
Last reduzieren
Du kennst vielleicht diese Definitionen:
Effektivität: Das Richtige tun.
Effizienz: Richtig tun, was zu tun ist.
Wenn du die Effizienz steigern willst, denkst du über ein besseres Wie nach. Wenn du die Effektivität steigern willst, denkst du über ein besseres Was nach.
Solange du nicht das Richtige tust, lohnt es kaum, das Falsche richtiger, d.h. effizienter zu tun. Deshalb solltest du zuerst an einer Effektivitätssteigerung arbeiten. Das ist auch ganz im Sinne der Engpasstheorie: vorhandene Kapazität wird für das verwendet, was am meisten bringt.
Weniger Kapazität verplanen
Und nun zur Abrundung der Ansätze, die dir zur Verfügung stehen, um mit deiner Kapazität möglichst produktiv und möglichst stressfrei umzugehen, ein radikaler Ansatz, um die Effektivität zu steigern. Er wird dich schlucken lassen. Doch er ist unumgänglich, wenn du der Wissenschaft der Warteschlangentheorie glaubst. Der Ansatz hat zwei Schritte:
Im ersten Schritt gehst du mit den anliegenden Aufgaben nur anders um. Du priorisierst sie — allerdings packst du dir den Tag nicht mehr so voll.
Statt so zu planen, wobei du den Tag im Vorhinein zu 95% füllst:
Planst du nun so:
Du lässt einen guten Teil des Tages einfach unverplant. Meine Empfehlung: Verplane nur 66% deines Tages. Damit trägst du der großen Variabilität deiner Aufgaben Rechnung. So kannst du auf Unvorhergesehenes reagieren.
Weil du einen ordentlichen Puffer gelassen hast, macht es dir erstens nichts aus, dass du für alle Aufgaben länger als geplant brauchst. Du hast den Tag nicht mit Bangen begonnen, ob du deinen Plan einhalten kannst.
Zweitens fühlst du dich entspannt, auch die letzte schon eingeplante Aufgabe zu schieben, weil eine neue Aufgabe hereingekommen ist, die zu erledigen dir stressreduzierender erscheint.
Weniger Aufträge annehmen
Wenn du weniger Kapazität verplanst, bist du schon entspannter. Einerseits. Denn auch wenn dir während des Tages eine Planabweichung nicht mehr so zu schaffen macht, fürchtest du vielleicht, dass du weniger schaffst. Und wenn du weniger schaffst, dann wächst der Druck auf dich auch wieder. Das spannt dich wiederum an.
Diese Befürchtung ist allerdings unbegründet. Du schaffst nicht weniger, wenn du weniger Kapazität verplanst. Denn du schaffst auch mit verplanter Kapazität nicht, was du schaffen willst. Du schaffst immer gleich wenig — nur einmal frustriert dich das und einmal macht es dir kein Problem und du bist flexibel.
Wie möchtest du lieber arbeiten?
Genau! Verplane dich nicht zu mehr als 66%. Das ist meine Empfehlung basierend auf der Warteschlangentheorie.2
Umso schwerer fällt es dir natürlich, dich weniger geplant auszulasten, je mehr Aufgaben du auf dem Zettel hast. “Auf dem Zettel”, d.h. in deiner Aufgabenliste heißt für mich: Du hast versprochen, diese Aufgaben zu erledigen. Damit existiert eine Erwartungshaltung bei Auftraggebern; die warten jetzt darauf, dass du Ergebnisse lieferst. Die Uhr tickt! Die Bearbeitungszeit hat aus ihrer Sicht angefangen. Ab jetzt bist du offiziell im Stress — zumindest, wenn die Zahl deiner Versprechungen eine gewisse Menge überschritten hat. Auf die Länge der Warteschlange bei dir kommt es an!
Deshalb lautet der zweite Schritt dieses letzten Ansatzes:
Versprich weniger!
Nimm weniger Aufträge an. Sag Nein zu Aufträgen, wo immer du kannst.
Was du versprichst, halte ein. Sei 100% zuverlässig! Dafür ist es allerdings nötig, dass du überhaupt weniger Versprechen abgibst.
Bisher sah deine Aufgabenliste über die Tage vielleicht so aus:
Selbstverständlich hat dir das nahegelegt, 95% deiner Zeit zu verplanen. So much to do, so little time. Und ganz gewiss kommt morgen noch mehr dazu…
Dieses Gefühl musst du im Keim ersticken! Über Effektivität durch Priorisierung oder Effizienz in der Abarbeitung musst du dir weniger Gedanken machen, wenn du weniger auf dem Zettel hast.
Nimm weniger an, versprich weniger, dann hast du auch weniger zu planen. Teile also Aufgaben ein in Versprochen und Unverbindlich bzw. Angenommen und Nicht Angenommen.
Lass nur so wenige Aufgaben wie möglich und so viele wie absolut nötig in deine Versprochen-Zone. Deine Verantwortung ist es, diese so zügig wie möglich in Reihenfolge ihrer Priorität abzuarbeiten.
Der Rest bleibt in der Zone der Unverbindlichkeit. Niemand hat einen Anspruch darauf, dass du ein Ergebnis lieferst. Du hast die Aufgaben nicht angenommen. Mach das sonnenklar!
Ja, es gibt überhaupt diese beiden Zonen. Du musst nicht jede Aufgabe annehmen, die dir jemand zwischen Tür und Angel zuwirft oder in deiner Inbox ablädt.
Im Sinne der Engpasstheorie gehört dieser Schritt zur ersten Maßnahme, weil du deine Kapazität mehr auf das Wesentliche konzentrierst. Darüber hinaus gehört er allerdings auch zur zweiten Maßnahme der Engpasstheorie. Bei der geht es darum, das Umfeld des Engpasses einzubeziehen; man spricht von Unterordnung (Engl. subordination).
Dem Umfeld kann es nicht egal sein, wie belastet du mit Aufgaben bist. Jede Aufgabe mehr jenseits von 66% Auslastung erhöht die Gefahr für Unzuverlässigkeit, schlechte Qualität und Konflikte. Deine Auftraggeber dürfen dich nicht als “ausbeutbare Ressource” sehen, der sie jederzeit etwas hinwerfen können. Sie schaden damit ihrer eigenen Arbeit, weil du Ergebnisse unzuverlässig lieferst.
Solange du jedoch nicht auf höherer Ebene das big picture ansprechen kannst, musst du für dich selbst sorgen. Das tust du, indem du Nein sagst, um die Zahl deiner Versprechen zu minimieren — was dich in die Lage versetzt, die eingegangenen Versprechen auch wirklich einzuhalten.
Fazit
Nach einem solch systematischen Blick auf den Umgang mit deiner sehr begrenzten Kapazität als Engpass, schwirrt dir der Kopf vielleicht noch mehr. Was sollst du aus all diesen verschiedenen Blickwinkeln machen? Kapazität, Effektivität, Effizienz, Auslastung… ist das nicht alles ein bisschen abstrakt? Deine Probleme sind dagegen konkret. Wie kann das Abstrakte dir im Tagesgeschäft helfen?
Ich habe dir diese Ansatzpunkte im Überblick vorgestellt, um dir einerseits zu zeigen, dass dein Chaos irgendwie System hat. Es geht zwar viel durcheinander, doch die Einflussfaktoren sind überschaubar.
Andererseits hast du nun ganz wenige Begriffe, mit denen du die vielen “Produktivitätstipps”, denen du begegnest in deiner Suche nach Hilfe, einordnen kannst. Bei jedem kannst du nämlich fragen, zu welchem Ansatzpunkt er gehört. Und damit weißt du, wo im Sinne der Engpasstheorie, also der Wissenschaft, sich ein Tipp bewegt.
Die Engpasstheorie sagt ganz klar:
Versuche erst, die vorhandene Kapazität voll auszuschöpfen. Sie soll auf die wertvollsten Aufgaben konzentriert werden.
Sieh dann zu, dass die Kapazität stets voll genutzt, aber nicht überlastet wird. Wer dem Engpass Arbeit gibt, darf sich nicht dumm stellen. Der Haufen des Unerledigten darf nicht ständig wachsen.
Erst zum Schluss kümmere dich darum, die Kapazität des Engpasses zu erweitern. Dazu kann mehr Kapazität eingekauft werden — z.B. in Form von Überstunden oder weiteren Mitarbeitern — oder die vorhandene Kapazität kann angehoben werden durch Ausbildung oder Tooleinsatz.
Das sind die drei wesentlichen so genannten Fokussierungsschritte der Engpasstheorie. So geht man an Engpässe professionell heran. Das ist nicht nur relevant für eine Produktionshalle, sondern auch im Office.
Lass mich das aber noch übersetzen auf die Darstellung hier, die einen etwas anderen Blickwinkel hatte. Pragmatisch empfehle ich dir die folgende Reihenfolge an Maßnahmen. Eine setze ich von den anderen allerdings ab an den Anfang. Sie ist die Voraussetzung für die Weiteren:
Make Work Visible: Solange du deine Arbeit nicht komplett siehst, kann du deinen Umgang mit ihr nicht verändern. Du musst zuerst all deine Aufgaben verlässlich sichtbar machen — für dich und für andere.
Für diese Voraussetzung musst du keine Erlaubnis einholen. Einen Kalender und eine Liste zu führen, bedarf keiner Zustimmung von Vorgesetzten. Das liegt nur bei dir. Teure digitale Werkzeuge brauchst du auch nicht. Alles geht mit kostenlosen oder sogar auf Papier, wenn es denn sein muss.
Sobald du diese Voraussetzung geschaffen hast, bist du bereit für die eigentlichen Phasen der Verbesserung:
Weniger auslasten: Von all den Aufgaben, die anliegen, die dich schon überfluten, darfst du dich nicht unter die Oberfläche drücken lassen. Du musst den Kopf über Wasser halten, um reagieren zu können. Das heißt, du musst weniger in deinen Tag einplanen. Du musst dich weniger von vornherein auslasten. Nur so wirst du den Variabilitäten gerecht, nur so kannst du auch spontan effektiv sein, ohne gleich alles durcheinander zu bringen.
Effektiver arbeiten: Womit du deine Kapazität auslastest, sollte wirklich nur das sein, was deinen Stress langfristig am besten reduziert. Langfristig, nicht nur heute und morgen! Du musst die Aufgaben priorisieren, deren Erledigung du versprochen hast. Womit befasst du dich wann am besten? Diese Frage musst du nachvollziehbar (und zügig) beantworten. Diese und die vorherige Verbesserungsphase passen zum obigen ersten Fokussierungsschritt. Du gehst mit deiner Kapazität besser um.
Weniger belasten: Ultimativ kommst du nicht weiter, wenn du nicht deiner Umgebung ein Zeichen gibst, dass du Unterstützung brauchst. Die besteht darin, dich weniger zu belasten. Wenn du die ersten beiden Phasen erfolgreich durchlaufen bist, hat sich an deinen Lieferungen schon etwas verbessert: Du lieferst Wertvolleres früher, du hältst Fristen besser ein. Immer noch kostet dich das jedoch viel Kraft, weil der Ansturm so groß ist. Dem musst du Einhalt gebieten. Das tust du, indem du Nein sagst. Nein zu neuen Aufgaben und Nein zu Unterbrechungen. Du bauchst Gegendruck (Engl. back pressure) auf. Der ist nicht willkürlich, sondern wohlbegründet. Denn mit weniger Aufgaben kannst du noch effektiver arbeiten. Ganz allgemein werden Wartezeiten reduziert. Das sollte jeden Auftraggeber freuen, der es geschafft hat, dir das Versprechen für eine Aufgabe abzuringen. Die Kapazität deiner Auftraggeber ordnest du damit deiner unter. Das entspricht dem zweiten Fokussierungsschritt der Engpasstheorie.
Effizienter arbeiten: Erst wenn du die vorherigen Phasen durchlaufen hast, gehst du eine Effizienzsteigerung an. Jetzt überlegst du dir, wie du den Aufwand für deine versprochenen Aufgaben reduzieren kannst. Dass dir jemand anderes hilft, ist eher nicht zu erwarten. Du musst selbst schneller werden. Neue Techniken, neue Technologien können dir helfen.
Die Reihenfolge der Phasen entspricht der Empfehlung der Wissenschaft. Die hauptsächliche Begründung für die Reihenfolge sind steigende Kosten/Widerstände. Greife also zuerst nach den niedrig hängenden, günstigen Früchten.
In der Praxis durchläufst du die Phasen jedoch nicht streng und einmalig in dieser Reihenfolge. Du fängst vorne an, gehst etwas vorwärts, aber auch mal zurück und versuchst immer mehr in den Phasen zu erreichen. Ganz auf Effizienzsteigerung zu verzichten, weil du noch nicht alles bei der Effektivität erreicht hast, wäre frustrierend und begrenzend.
Um Fluss für deine Arbeit zu erreichen, solltest du bei deinen Verbesserungsvorhaben ebenfalls flüssig bleiben.
Produktiver und zufriedener zu werden, braucht Zeit. Deshalb beginne heute mit einer ersten kleinen Veränderung und höre dann nicht mehr auf.
Dass Aufgaben weniger Zeit brauchen als du dachtest, ist die absolute Ausnahme. Sie ist so selten, dass ich sie nicht weiter berücksichtige. Du kannst nicht annehmen, dass sich deine Überschätzungen und Unterschätzungen die Waage halten. Im Durchschnitt braucht nicht alles so lange, wie du dachtest. Nein, auch im Durchschnitt braucht alles länger.
Ich weiß, das ist super schwer. Du kriegst es wahrscheinlich nicht hin. Wenn du dann aber bei 85% landest, ist es auch gerade noch ok. Solange du nicht “das Unmögliche” versuchst, schaffst du allerdings nicht das Machbare.